Alltagsachtsamkeit

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Als ich das erste Mal Vater wurde, ergab sich folgende Situation: Meine Frau blieb nach der Geburt noch einige Tage mit unserer Tochter im Krankenhaus, ich verbrachte einige Tage allein zu Hause. Für mich gab es damit zwei Welten: Die normale Welt zu Hause, wo ich mit unserem damaligen Hund Gassi ging, die Wohnung in Schuss hielt und meinen gewohnten Alltag lebte, und die Welt im Krankenhaus, in der ich meine Frau und meine Tochter besuchte. So weit so normal. Dann kam der Tag, an dem meine Frau und meine Tochter nach Hause kamen. Und nichts passte mehr zueinander. Der Alltag musste sich erst einspielen. Es dauerte – wie bei allen jungen Familien – zunächst eine Zeit, bis sich alle Abläufe angepasst hatten.

Was ich damit sagen will: Häufig ist es so, dass wir mit großer Begeisterung etwas Neues angehen, das zunächst abgehoben von unserem Alltag ist. Es muss sich erst einfinden und Teil unseres Alltags werden. Und wenn es das nicht tut, verschwindet es auch wieder.

So ist es auch mit dem Thema Achtsamkeit.

Hier war ich lange einem Denkfehler aufgesessen: Ich habe immer gedacht, hier kommt jetzt etwas völlig Neues, das ich von oben auf meinen Alltag aufsetze.

  • Wenn ich auf dem Meditationskissen sitze, dann bin ich Achtsam.
  • Wenn ich eine geführte Meditation mache, dann bin ich achtsam.
  • Wenn ich mir bewusst die Zeit nehme, dann bin ich achtsam.

Doch dieses Denken ist falsch. Natürlich kann ich in all den genannten Situationen achtsam sein. Ein achtsames Leben bedeutet jedoch, die Achtsamkeit in den Alltag einzuweben. Eine Art „Alltagsachtsamkeit“ zu kreieren. Denn es braucht nicht den besonderen Rahmen, um achtsam zu sein. Vielmehr kann ich alles, was ich tue, achtsamer angehen.

Vieles, was wir tun, läuft in einer Art „Autopilot“ ab. Unser Gehirn macht es sich gern leicht. Es folgt Routinen und Gewohnheiten. Aus Effizienzsicht macht das Sinn: Denn ein gewohntes Muster abzurufen spart Energie. Achtsamkeit ist das Gegenteil. Achtsamkeit bedeutet bewusstes Erleben und damit auch ein bewussteres Leben.

Hier ein paar Anregungen, für mehr Achtsamkeit im Alltag:

  • Führe eine gewohnte Routine ganz bewusst aus. Zelebriere beispielsweise das Kaffee oder Tee kochen. Gehe jeden Schritt bewusst an: Das Wassereinfüllen in die Kaffeemaschine oder den Wasserkocher, das Abmessen von Kaffeepulver oder Tee bis zum Eingießen.
  • Spüre beim Duschen das Wasser, das auf deine Haut trifft. Spiele ein wenig mit der Wassertemperatur und erlebe den Moment bewusst.
  • Geh beim Kochen wertschätzend mit den Lebensmitteln um, schneide die Zutaten bewusst und konzentriere dich auf jeden einzelnen Arbeitsschritt, ohne dich ablenken zu lassen.
  • Gehe bewusst spazieren und nimm mit allen Sinnen die Eindrücke wahr, die sich dir bieten. Was siehst du? Was hörst du? Was riechst du?

Achtsame Momente wie diese kannst du überall im Alltag finden. Alles, was du tust, kann Teil deiner Achtsamkeitspraxis sein. Daher lade ich dich ein: Entdecke deinen Alltag neu – durch Alltagsachtsamkeit.

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