StartReligion1.000 Jahre wie ein Tag

1.000 Jahre wie ein Tag

Es ist immer ein bisschen schwierig, Exegese zu betreiben. Einerseits, weil ich natürlich kein ausgebildeter Theologe bin, andererseits, weil ich mich im Buch der Bücher zwar ganz gut zurecht finde, meine Bibelfestigkeit aber auch ihre ganz klaren Grenzen hat. Wenn ich allerdings einen neuen Blick auf die Texte der Bibel eröffnen möchte, ist vielleicht gerade dieser „Anfängergeist“ bei der Bibelauslegung genau das Richtige. Luther hat schließlich die Bibel übersetzt, damit die Texte dem ganzen Volk zugänglich wurden. Das hat er nun davon. (Und gleichzeitig zeigt sich hier auch der Grund, wieso die katholische Seite dagegen war 😉 ).

Nun gut: Heute soll es um die Schöpfungsgeschichte und das Alter der Welt gehen. Denn natürlich sind die Abläufe recht einfach dargestellt. „Im Anfang erschuf Gott Himmel und Erde“, steht zu Beginn des ersten Buch Mose in der Einheitsübersetzung des Alten Testaments. Danach geht es dann eine Woche lang richtige rund. Genau genommen sechs Tagen lang, weil Gott am siebten Tag ja ruhte. Am ersten Tag entstanden das Licht des Tages und die Finsternis der Nacht, am zweiten Himmel und Wasser, am dritten Land, Meer und Pflanzen, am vierten Sonne, Mond und Sterne, am fünften Fische und Vögel, am sechsten Tiere und Menschen. So weit, so einfach.

Das passt jetzt natürlich nicht so ganz zur Evolutionstheorie, den Forschungen zur Entstehung des Universums und den Erkenntnissen zur Erdgeschichte. Ein kurzer Blick auf diese Seite: Das Universum ist rund 14 Milliarden Jahre alt, die Erde rund 4,5 Milliarden und Tiere und Pflanzen entwickeln sich evolutionär. Kurz: Die Schöpfungsgeschichte ist überholt.

Meine Frage:

  • Müssen wir die Bibel an dieser Stelle wirklich so wörtlich nehmen?

Denn zur Erinnerung: Es handelt sich bei der Bibel um sehr alte Texte. Die ältesten Passagen des Alten Testaments sollen rund 900 vor Christus niedergeschrieben worden sein – nach einer vermutlich langen Phase der mündlichen Überlieferung. Das bedeutet dann: Die Texte spiegeln die Vorstellungen der Menschen jener Zeit wider und wählen Worte, die damals verstanden wurden.

Die Bibel selbst lädt geradezu dazu ein, hier zu relativieren. So heißt es in Psalm 90,4:

„Denn tausend Jahre sind in deinen Augen wie der Tag, der gestern vergangen ist, wie eine Wache in der Nacht.“

Und auch Petrus greift das in seinem zweiten Brief (2. Petrus 3,8) auf:

„Dies eine aber, Geliebte, soll euch nicht verborgen bleiben, dass beim Herrn ein Tag wie tausend Jahre und tausend Jahre wie ein Tag sind.“

Als Jude wird Petrus hier sicherlich auf Psalm 90 Bezug genommen haben. „1.000 Jahre wie ein Tag“ bedeutet aber doch, dass für Gott Zeit keine Rolle spielt (auch wenn die Bibelzitate natürlich aus ihren Kontexten gerissen sind). Demnach ist es völlig irrelevant, ob die Entstehung der Erde nun sechs Tage, 6.000 Jahre oder sechs Milliarden Jahre gedauert hat.

Was ich damit sagen möchte:

Das reine „Ad-acta-Legen“ der Schöpfungsgeschichte, weil moderne wissenschaftliche Erkenntnisse dagegen sprechen, ist zu einfach und lenkt von der eigentlichen Botschaft ab, die dahinter steckt: Die des Schöpfers.

Denn das ist doch die entscheidende Frage: Wurden das Universum und die Erde durch einen Schöpfer erschaffen oder entstanden sie durch einen Zufall?

Genau an dieser Stelle stößt auch die Naturwissenschaft an ihre Grenzen. Zwar geht aus Einsteins Relativitätstheorie der Urknall hervor und mithilfe der Theorie kann sich die Physik dem Urknall auch annähern – doch ganz heranreichen kann sie nicht.

Mit der String-Theorie, dem Ansatz eines Big Bounce – nach dem das Universum sich ausdehnt, zusammenfällt und sich in anderer Richtung wieder ausdehnt – oder der Überlegung von Multiversen gibt es Forschungen, die die Frage weiter klären wollen, was vor dem Urknall war und wie das Universum entstanden ist. Aber: All das sind nur Ideen, die in keiner Weise bewiesen sind. Ebenso, wie der Beweis für die Existenz Gottes fehlt.

Das bedeutet:

  • Die Grundlage für die Wissenschaft ist ebenso unsicher wie die Grundlage für die Religion.

Oder anders formuliert:

  • Könnte es sein, dass hier von Wissenschaft und Religion dasselbe beschrieben und gefragt wird?

Und um noch einen Schritt weiterzugehen:

  • Vielleicht ist der Weg über das Gefühl, Spiritualität und Glaube genauso erfolgsversprechend wie der über die moderne Wissenschaft, wenn es in die Grenzbereiche geht.

Spannend.

Und doch erst der Anfang.

Vorheriger Artikel
Nächster Artikel
RELATED ARTICLES

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Most Popular

Wir sind reine Energie

Die Macht der Worte

Und jedem Anfang …

Recent Comments