Seit 1986 gibt es eine neue Tradition in der Adventszeit. Damals hat der österreichische Fernsehsender ORF zum ersten Mal ein Kind nach Bethlehem geschickt, um in der Geburtsgrotte Jesu eine Kerze zu entzünden. Dieses Friedenslicht wurde dann weiterverteilt – zuerst in Österreich, inzwischen in ganz Europa und schließlich noch weiter in der Welt. Jahr für Jahr fährt ein neues Friedenslichtkind nach Bethlehem, um dort die Kerze zu entzünden.
Seit 1993 gibt es das Friedenslicht aus Bethlehem auch in Deutschland. Hier wird die Aktion durch die Pfadfinder unterstützt. Jedes Jahr reist eine Delegation in der Vorweihnachtszeit nach Wien, um das Licht zu holen.
- Ein Licht, das seine Spur durch die ganze Welt zieht.
- Ein Licht, das von einem zum anderen mit dem Gedanken an Frieden weitergegeben wird.
- Ein Licht, das Hoffnung verheißt und ein leuchtendes Zeichen für den Frieden setzt.
Ganz unweigerlich kam mir bei diesen Gedanken eine Geschichte in den Sinn, die ursprünglich von den Philippinen stammen soll, die ich inzwischen aber auch in verschiedenen Versionen gelesen habe.
Sie geht so:
Ein König hatte zwei Söhne und wusste nicht, wen er zu seinem Nachfolger machen sollte. Also überlegte er, sie zu testen.
Eines Tages sprach der König zu seinen Söhnen: „Wer es schafft, die Halle des Palastes vollständig zu füllen, der soll mein Nachfolger werden.“ Beide Söhne erhielten ein paar Silberstücke und sollten sich auf die Suche nach etwas machen, womit sie die Halle des Palastes füllen könnten.
Der eine Sohn kam auf seinem Weg an ein paar Bauern vorbei, die Getreide ernteten. Sie droschen es, sammelten die wertvollen Körner auf und stapelten das Stroh zu großen Haufen.
Dem Sohn kam eine Idee. „Ich gebe euch einige Silberstücke, wenn ihr das Stroh in die Halle des Palastes schafft, bis sie komplett voll ist“, sagte er.
Die Bauern freuten sich über den zusätzlichen Gewinn und machten sich an die Arbeit.
Der andere Bruder ging durch die Stadt. Er rätselte, womit er die Halle füllen sollte, und traf auf einen Bettler. Da der Sohn die große Not des Bettlers sah und Mitleid hatte, gab er ihm die Silberstücke des Vaters. Dabei dachte er nicht einmal daran, dass er nun nichts mehr kaufen konnte, womit er die Halle des Palastes füllen könnte.
Der Bettler schenkte dem Sohn eine Kerze. „Ich kann dir nichts weiter geben als diese Kerze“, sagte er. „Sie soll ein wenig Licht in dein Leben bringen.“
Da kam dem Sohn eine Idee. Er strahlte übers ganze Gesicht, bedankte sich bei dem Bettler und machte sic auf den Heimweg.
In der Halle des Palastes stapelte sich inzwischen das Stroh bis unter die Decke. „Siehst du Vater“, sagte der Sohn, der es besorgt hatte. „Die Halle ist gut gefüllt.“
„Sie ist sehr voll“, sagte der König. „aber restlos ist sie nicht gefüllt. Und außerdem hast du sie mit Müll vollgestopft.“ Und er befahl seinen Dienern, das Stroh wieder aus der Halle zu entfernen.
Da wurde der Sohn wütend, zeigte zu seinem Bruder und sagte zu seinem Vater: „Er hat überhaupt nichts besorgt, sondern nur den Tag genossen.“
Der andere Bruder sagte nichts, wartete ab, bis das Stroh entfernt war und zündete die Kerze an. Er stellte sie in die Mitte der Halle auf den Boden. „Das Licht“, sagte er, „reicht bis in die letzte Ecke der Halle.“
Und so wurde der zweite Sohn zum Nachfolger des Königs.
Sicher kann man diese Geschichte nun auf vielfältige Weise deuten. Mit Blick auf das Friedenslicht will ich nur eine davon wählen:
- Lasst uns Kerzen sein, die das Licht in die Welt bringen. Und auch wenn es Schatten gibt, sollen sie uns nicht daran hindern, weiter zu leuchten.
- Lasst uns die Welt Tag für Tag ein kleines Stückchen besser machen. Und lasst uns nicht verzweifeln, weil es so viel Unrecht, Krieg und Unfrieden gibt.
- Lasst uns das Licht weiter verteilen und immer mehr werden. Denn gemeinsam verändern wir die Welt.
In diesem Sinne: Habt noch eine schöne restliche Adventszeit – und leuchtet hell!