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Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?

Stellen wir doch mal die berühmte Gretchenfrage aus Goethes Faust: „Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?“ Ja. Wie haben wir es denn heute mit der Religion? Einerseits ist Religion sicherlich auf dem absteigenden Ast:

  • Seit der Entwicklung der modernen Naturwissenschaften im 19. Jahrhundert wurde die religiöse Lehre immer mehr in Frage gestellt.
  • In der säkularisierten westlichen Welt sind Kirche und Staat heute voneinander getrennt.
  • Religiöser Extremismus macht Angst.
  • Gerade die katholische Kirche treibt die Menschen mit ihren Skandalen immer stärker von sich weg.

2021 sind mehr Menschen in Deutschland aus der katholischen Kirche ausgetreten als jemals zuvor – rund 360.000. Im Jahr 2022 lag der Anteil der katholischen und evangelischen Christen in Deutschland erstmals unter 50 Prozent der Gesamtbevölkerung. Das Pendel wird in den kommenden Jahren wahrscheinlich noch weiter in diese Richtung ausschlagen.

Also ist Religion überflüssig? Mit Blick auf die Institution einer Amtskirche für viele Menschen sicherlich. Das betrifft aber nicht den Glauben oder die Spiritualität an sich. „Ich glaube schon, dass es eine höhere Macht gibt, aber dafür brauche ich keine Kirche“, ist eine Meinung, die man weit verbreitet hört.

Spiritualität ist etwas Persönliches und Individuelles. Und das Bedürfnis danach ist auch heute noch riesig. Spirituelle Coaches, Achtsamkeitstrainer oder Persönlichkeitsentwickler haben Hochkonjunktur.

Dabei gibt es wiederum zwei Dinge zu unterscheiden:

  • Einerseits gibt es Menschen, die nach dem größeren Sinn suchen. Die an eine höhere Macht glauben und sich auf den Weg zur „Erleuchtung“ begeben.
  • Andererseits werden bestimmte Elemente aus den religiösen Weisheitslehren herausgelöst und erfreuen sich großer Beliebtheit. Die Meditation aus dem Zen-Buddhismus oder Yoga sind zwei Beispiele dafür, wie solche Elemente heute vorwiegend der Entspannung dienen, obwohl sie eigentlich aus ganz anderen Hintergründen entstanden sind.

Wenn wir auf die Religion schauen, sollten wir daher nicht den Fehler machen, Religion als eine einheitliche, homogene Masse zu sehen. Religion hat immer mehrere Schichten, von denen ich hier die drei aus meiner Sicht wichtigsten nennen möchte:

  • Spiritualität: Sie ist die persönlichste und individuellste Ebene. Die eigene Verbindung zu Gott, zum Universum oder wie man es auch benennen möchte, ist für mich die nach innen gerichtete Ebene, die jeder mit sich selbst und für sich selbst ausmacht.
  • Ethik: Jede Religion stellt ethische Regeln für das Zusammenleben auf. Die zehn Gebote sind die Grundlage, auf der die Ethik aller abrahamitischen Religionen fußt. Das „christliche Abendland“ und die „christlich geprägte Gesellschaft“ zielen als Begriffe vor allem auf die ethischen Werte ab. Spannend daran: abrahamitisch heißt nicht nur Christentum, sondern schließt auch Judentum und Islam mit ein.
  • Gemeinschaft: Vieles in der Religion beziehungsweise in der Gemeinde findet neben dem Kirchenraum statt. Gruppenangebote, Feste oder Aktionen sind das, was für viele die Religion ausmacht.

Wenn man die unterschiedlichen Ebenen getrennt voneinander betrachtet, treten viele Konflikte zwischen den Religionen gar nicht erst auf. Wenn der Aspekt der Spiritualität als persönliche Sache angesehen wird, steht einem Zusammenleben und Zusammenwirken über Konfessions- und Religionsgrenzen hinweg nichts im Wege.

„Gelassen“ ist daher meine Antwort auf die eingangs gestellte Gretchenfrage. Denn am Ende ist es die Frage, was die Religion für die Menschen tun kann und nicht, was die Menschen für die Religion tun können. Das wurde nur in der Geschichte häufig falsch verstanden – und wird es auch heute noch. Meine weiterführenden Fragen lauten daher:

  • Wie kann eine moderne Religiosität und Spiritualität aussehen, die in die heutige Zeit passt und nicht im Widerspruch zu modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen steht?
  • Welche Elemente und Rituale aus der christlichen Religion lassen sich wie Zen oder Yoga aus der kirchlichen Tradition herauslösen, um einen Mehrwert für das Individuum zu bieten?
  • Wie lassen sich die Texte der Bibel aus Sicht der heutigen Zeit verstehen und „anwenden“?

Die Reise hat gerade erst begonnen.

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