In unserem Garten steht ein Maronenbaum, den wir vor mittlerweile fast 15 Jahren gepflanzt haben. Und da wir damals noch sehr unerfahren waren, was das Gärtnern angeht, und wir uns auch keine Vorstellungen darüber gemacht hatte, welche Ausmaße so ein Baum einmal annehmen wird, haben wir ihn vergleichsweise nah an die Hecke auf der Grundstücksgrenze gepflanzt.
So weit so gut. Der Baum hat sich hervorragend entwickelt. Allerdings ist deutlich sichtbar, dass er sich zu der einen Seite frei entfalten kann und auf der anderen Seite von der Hecke und den Bäumen des Nachbarn begrenzt wird. Auf der einen Seite streckt er seine Äste weit heraus, auf der anderen hat er kaum Äste aus dem Stamm hervorgebracht. Weiter oben, wo die Krone die anderen Bäume überragt und wo wieder Platz ist, streckt unser Baum seine Äste auch in die andere Richtung.
Wie genial ist das!
Unser Baum ist einfach perfekt unperfekt. Er findet eine Situation vor, nimmt sie an und passt sich an – alles im Tempo des Wachstums eines Baumes versteht sich.
Was für ein Vorbild für mein eigenes Leben. Denn häufig ist es mein eigener Perfektionismus, der mich ausbremst. Häufig fange ich nicht an, weil ich nicht erwarte, dass ein perfektes Ergebnis herauskommt.
Dabei ist das genau der falsche Ansatz. Ich sollte mich vielmehr auf meine eigenen Eigenschaften verlassen, einfach beginnen und mich den Gegebenheiten anpassen. Was dann herauskommt? Das unter den gegebenen Umständen beste Produkt. Das Optimum. Und eben nicht das Maximum.
Denn sehen wir es doch einmal so: Das perfekte Ergebnis ist eine Illusion. Perfekt wird nichts sein, was wir tun. Egal wie sehr wir uns anstrengen. Denn letztlich sind wir „nur“ Menschen, die Fehler machen und ihre Fähigkeiten nach und nach weiterentwickeln.
Da liegt der springende Punkt: Wenn wir aus dem unrealistischen Ziel eines perfekten Ergebnisses gar nicht erst anfangen, entwickelt sich gar nichts. Dann bleibt das perfekte Ergebnis das nie zu erreichende Ideal. Wenn wir aber anfangen, werden wir bei einer Tätigkeit von Mal zu Mal besser – und kommen in vielen Fällen dem perfekten Ergebnis näher, als wir es uns jemals hätten vorstellen können.
Daher: Töten wir den Perfektionismus.
Denn das bedeutet keineswegs, dass wir uns bei einer Tätigkeit nicht die größtmögliche Mühe geben und wir nicht länger versuchen, eine Sache so gut wie möglich zu machen. Es bedeutet vielmehr, dass wir frei sind, anzufangen. Und wenn es Dinge gibt, die uns vom Ideal abhalten, dann sparen wir sie aus und kreieren statt eines perfekten ein perfekt unperfektes Ergebnis – so wie der Maronenbaum.