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Jetzt wird’s mystisch

Was erwartest du, nachdem du die Überschrift gelesen hat?

Wenn du jetzt glaubst, es wird irrational, abgehoben und ein bisschen verrückt, dann ist das kein Wunder. Denn seit der Aufklärung haben Wissenschaft und Kirche alles darangesetzt, die Mystik zu diskreditieren und zum Abnormalen zu stilisieren. Nur das Nachweis- und Messbare war für die eine Seite das Wichtigste, die Einheit der kirchlichen Lehre für die andere. Dabei bezeichnet Mystik in ihrem ursprünglichen Sinn die innere Reise des Menschen zur Gotteserfahrung, zur Erleuchtung oder einem ähnlichen höheren Ziel – je nachdem, welche Weltreligion im Fokus steht. Und diese alte Bedeutung ist es, um die es in diesem Beitrag gehen soll.

Seit ich die Idee zu ahta hatte, ist eines meiner Ziele, eine moderne Sichtweise auf die Religion zu finden. Eine Religiosität, die sich mit der modernen Welt vereinen lässt, und die die Parallelen zwischen dem heute so beliebten Buddhismus und dem Christentum aufdeckt. Denn ich sehe – jenseits der Skandale der Amtskirche oder der naiven Gottesvorstellung – in puncto Spiritualität zahlreiche Parallelen zwischen der asiatischen Meditationstradition und dem abendländischen christlichen Glauben. Meine Beschäftigung mit dem Thema Mystik hat meinen Ansatz bestärkt – und noch weit mehr als das: Ich habe entdeckt, dass die Parallelen schon seit dem frühen Christentum bestehen.

Bereits in der Bibel zeigen sich erste Ansätze. In seinen Briefen spricht Paulus beispielsweise vom Leib des Menschen als Tempel des Heiligen Geistes. Die frühen Christen griffen zudem die Mystik des Neuplatonismus auf, die sich über das Denken und Wollen der Realität des „Ureinen“ öffnet, und entwickelten sie zur „mystischen Theologie“ weiter. Mit den Wüstenvätern gab es schließlich die ersten „Mönche“, die in der Einsamkeit durch Gebet und Meditation eine erste mystische Übungspraxis entwickelten.

So wie ich es verstehe, ist durch die richtige Praxis – wie dem inneren Beten, Exerzitien, Meditation oder Ähnlichem – die Gotteserfahrung im Christentum bereits im Diesseits möglich, auch wenn die Auflösung der Dualität erst mit dem Ende des irdischen Lebens geschieht. Das Christentum ist damit sehr viel lebensbejahender als man ihm gemeinhin unterstellt und nicht allein auf das jenseitige Leben nach dem Tod ausgerichtet.

Mystik gibt es in allen Weltreligionen. Das stärkt meine persönliche These, dass alle Religionen – und auch die Wissenschaft – am Ende dasselbe Ergebnis haben werden. Einfach deswegen, weil sie alle dasselbe zu beschreiben versuchen.

Doch was ist nun die mystische Gotteserfahrung. Für mich liegt sie hinter den Gedanken und der Rationalität. Wenn bei der Meditation die Gedanken zur Ruhe kommen und sich der Geist weitet, man voll im Moment und alles gut ist, dann ist Gott da – auch wenn ich es bisher nur in Bruchteilen bis an diesen Punkt geschafft habe.

Die christliche Mystik beschreibt diesen Weg: von der Wahrnehmung der Welt mithilfe des sinnlichen Sehens über die geistliche Reflexion bis zur Kontemplation, die als „drittes Sehen“ zur Gotteserfahrung führt. Im Herzensgebet dienen dabei beispielsweise einzelne Bibelverse oder Worte als Mantras, die den Geist in diese Ruhe bringen.

Eine weitere Parallele zu dem heutigen Verständnis einer modernen Spiritualität sehe ich in der Herangehensweise der Viktoriner, einer mystischen Bewegung des 12. Jahrhunderts. Ihrem Ansatz zufolge trennt die Sünde den Menschen von der Gotteserfahrung. Erst wenn der „Vorhang der Sünde“ beiseite gezogen wird, kann die Gotteserfahrung stattfinden. Jetzt ist „Sünde“ ein Wort, das direkt triggert und abschreckt. Aber ersetzen wir das Wort doch einmal durch Begriffe wie „Schmerz“ oder „Verletzung“. Dann sind wir ganz nah an dem, was heute in unzähligen Podcasts, Ratgebern, Retreats oder Seminaren vermittelt wird:

  • Man soll sich selbst und anderen, die einem Schlechtes angetan haben, verzeihen, damit man selbst heilen kann.

Oder anders formuliert:

  • Man soll den Vorhang des Schmerzes und der Verletzung beiseite ziehen, um zu sich selbst zu finden.

Und jetzt noch einmal mit Worten, die Menschen vor knapp 1.000 Jahren wählen würden:

  • Man muss den Vorhang der Sünde beiseiteziehen, um die Gotteserfahrung zu machen.

Was für ein Durchbruch!

Die Mystik ist es also, der ich weiter nachgehen werde.

Sei gern dabei, wenn du das genauso spannend findest wie ich!

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